Im Winter Grünkohl, im Sommer Grillwürste und im Advent Kaffee und Torte

Wie eine Schule die Nachbarschaft bereichert

Der Blick schweift an einer Straßenzeile mit gleich aussehenden Häusern entlang, „Krüppelwalmdächer“ – so das Fachwort – , Backstein, Sprossenfenster mit Fensterläden. Die Straßen sind leer, Autos keine und die Bäume noch klein. Doch da sind Kinder, Jungs zwischen fünf und sechs Jahren, kurze Lederhosen mit Hosenträgern und Steg über karierten Hemden, Strickjahre, kurze blonde Haare. Auch die Dame daneben in der gemusterten Kittelschürze ist blond. Alle lachen. Es ist das Jahr 1943 und die Siedlung ist mal gerade so alt wie die Jungs.

Diese Fotos finden sich in einer von außen eher unscheinbaren Mappe, die das Wachsen einer Siedlung und der dortigen Nachbarschaft mit Bildern und Zeitungsausschnitten dokumentiert – eine Schatzkiste an Erinnerungen. 1938 war mit dem Bau der Wifo-Siedlung begonnen worden, für die Mitarbeiter der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft, die in Farge große Tankanlagen betrieb. 1944 war das Gebiet zwischen Kreinsloger und Besanstraße schon mit 133 Häusern bebaut. Die jungen Familien mit ihren Kindern belebten die Siedlung und gründeten eine Nachbarschaft, die bis heute hält. Gegen Ende der 1960er wurde dann endlich das immer wieder vermüllte Freigelände an der Eggestedter Straße bebaut: allerdings mit einem Schulzentrum. Und diesmal nicht zur reinen Freude der Nachbarschaft. Die neuen Schüler sorgten für Lärm und zu viele parkende Autos. Aber, wie sich die damalige Schulleiterin Julia Hofer erinnert, habe man das Problem mit den Nachbarn gemeinsam gelöst.

Ein rauschendes Fest

Im Jahr 1989 wollten die „Wifofen“ das 50jährige Bestehen ihrer geliebten Siedlung begehen, aber wo? Da kam ihnen wohl wiederum das Schulzentrum in den Blick und damit die große Aula. Auf dem nächsten Bild sind über 200 Menschen zu sehen, die an langen, festlich geschmückten Kaffeetafeln sitzen und feiern.  In der Zeitung vom 27.5.1989 ist zu lesen, dass die Tafeln abends dann zusammengerückt wurden und die Aula in einen Tanzsaal verwandelt, die „Anlieger ließen sich bei handgemachter Musik nicht lange bitten“.  Und weil es so schön war, wird seit 1999 regelmäßig gefeiert, 60 Jahre Wifo, 70 Jahre Wifo und so weiter. Und zwar mit Unterstützung nicht nur der Aula, sondern auch der Schüler.

Eine Idee mit Vorteilen für alle Beteiligten

In den Werkklassen der Berufsschule, wo das selber Herstellen und das Umsetzen des Gelernten in die Praxis Programm ist, entstand nämlich eine Idee, die für alle Beteiligten Vorteile bringt. Nachdem das 60. und das 70. Jubiläum schon erfolgreich mit SchülerInnen als Catering-Team gemeistert worden waren, werden die Nachbarn von nun an dreimal im Jahr in die Schule eingeladen: im Sommer zum Grillen, im Winter  zum Grünkohlessen und in der Weihnachtszeit zum Adventskaffee.  Das freut natürlich die Organisatorin der ersten Jubiläumsfeier, Ursula Palme, die immer noch rüstig dabei ist: „Wir sind sehr dankbar, dass die Schüler uns Nachbarn einladen. Das Essen ist immer sehr gut, die Torten sind sehr lecker.“ Das freut aber auch alle anderen Nachbarn und nicht zuletzt die Schule bzw. die SchülerInnen. Denn hier finden sie eine großartige Gelegenheit, das an der Schule Gelernte erstmals an den Mann bzw. die Frau zu bringen.

Wunderbarer Praxistest

Rund 35 Personen der „alten“ Nachbarschaft gehören zum „harten Kern“ dieser nachbarschaftlichen Einladung, d.h. sie sind in einem Verteiler, an den die Schülerinnen und Schüler Einladungen geben. Diese entwerfen sie selbst am PC und gehen dann von Haus zu Haus und verteilen sie. Sie verkaufen auch die Essensmarken, die die Nachbarn im Vorfeld für die jeweilige Veranstaltung an der Schule erwerben, denn so wird das „Catering“ für die werdenden Profis planbar und kalkulierbar. Je nach Veranstaltung liegen die Kosten pro Person zwischen 5 und 10 Euro. Die Getränke kommen extra.

Und dann beginnen für die Werkklassen und ihr Lehrteam die konkreten Vorbereitungen mit allem, was dazu gehört: Planen, Einkaufen, Zubereiten, Dekorieren und, wenn es soweit ist: Servieren! Auch das ist in dem Wifo-Ordner schön dokumentiert: Unter einem Foto des Getränkestands steht die Bildunterschrift: „Frau Immel gibt den Schülern Anweisungen beim Verkauf der Getränke.“ Für die SchülerInnen ein erster wunderbarer Praxistest, für die Nachbarn ein sehr willkommener Treffpunkt und somit, wie es neudeutsch heißt, eine „Win-Win-Situation“ für alle Seiten.