Das Campus-Konzept
Was wo auf dem Woll-Kämmerei-Gelände gebaut werden soll – und wie die Planer vorgegangen sind

Bisher haben Senatoren nur davon gesprochen, dass sie aus dem Woll-Kämmerei Gelände mehr machen wollen: nicht nur einen Wirtschafts-, sondern auch einen Bildungsstandort. Mittlerweile sprechen sie auch darüber, wie ein Campus für Berufsschulen aussehen könnte. Drei Planungsbüros haben ihnen gezeigt, was auf dem Blumenthaler Industriegrundstück möglich ist. Seit Kurzem steht fest, welcher Entwurf der beste ist  und was die Architekten wo auf einer zehn Hektar großen Fläche bauen wollen.
Johannes Langer hat den Plan schon öfter erläutert. Erst bei einem Workshop im September, als die Senatoren einen Zwischenstand haben wollten, dann bei einem finalen Treffen im Dezember, als sie den Siegerentwurf auswählten. Er stammt von Langers Team. Der Mann arbeitet für die Kölner Dependance des niederländischen Planungsbüros De zwarte Hond (Der schwarze Hund). Was der Jury besonders gefällt, ist die „städtebauliche Verzahnung“. Langer und seine Kollegen haben alles miteinander verbunden: die Berufsschulen, die benachbarten Firmen, die angrenzenden Quartiere.

Langer sagt, dass sich sein Team vorher genau umgesehen hat. Nicht nur auf dem Industriegrundstück und in den umliegenden Straßen, sondern auch an den Schulen, die künftig auf dem Woll-Kämmerei-Gelände vereint werden sollen. Der Projektleiter wollte wissen, wie sie jetzt aussehen, bevor er einen Plan entwirft, wie sie künftig aussehen könnten. Und zwar so, dass die Neubauten zu den denkmalgeschützten Altbauten passen.  Aber auch zu den Gebäuden entlang der Weserstrandstraße, am Marktplatz und an der Landrat-Christians-Straße. Mehrere Tage schaute sich Langer in Blumenthal um.
Auch am Bahnhof war er. Der Projektleiter will, dass er besser vom Woll-Kämmerei-Gelände aus erreichbar wird. Und umgekehrt.
Langers Team hat deshalb zwischen beiden eine Wegeverbindung geschaffen, die es so noch nicht gibt. Sie verläuft über eine Asphaltfläche, die vorübergehend mal ein Wendeplatz mit Haltestellen für Linienbusse der Stadt war und jetzt eine Brache ist. Auf Langers Plan ist sie begrünt und mit einem mehrgeschossigen Parkhaus versehen, das nach den Worten des Projektleiters mehr sein soll als ein Gebäude, in dem knapp 500 Autos abgestellt werden können. Das Dach ist so schräg wie eine Tribüne. Der Architekt spricht von Sitzgelegenheiten, die dort geschaffen werden könnten. Von einem Treffpunkt für Schüler, aber auch von Anwohnern. Und davon, dass sich die terrassenförmige Anordnung des Daches auch für ein Kino unter freiem Himmel nutzen ließe. Das Parkhaus ist eine Vorgabe der Behörden. Genauso wie das Wohnheim für Berufsschüler gegenüber. Langer sagt, dass immer mehr junge Menschen umziehen, um eine Ausbildung zu beginnen. Und deshalb immer mehr Kommunen ein Gebäude mit Appartements in der Nähe von Bildungseinrichtungen vorsehen. Die Behörden planen groß. Sie rechnen mit einem Campus für 4000 Schüler und 300 Lehrkräfte. Und mit mehreren Berufsschulen aus dem Norden und Westen der Stadt, die in Blumenthal angesiedelt werden sollen. Langers Entwurf sieht fünf Ausbildungsstätten vor, eine Schule ist dabei optional. Ihm zufolge ist noch nicht klar, ob es am Campus eine kaufmännische Ausbildung geben wird. Fest eingeplant sind nach seinen Worten dagegen ein Komplex für Bautechnik, Garten- und Landschaftsplanung, einer für Metallbau, eine Schule für Metall- und Elektrotechnik und eine für Hauswirtschaft und Sozialpädagogik. Drei Schulen sind Neubauten, zwei eine Kombination aus neuem und altem Baubestand.
Sowohl das Sortiergebäude der Woll-Kämmerei als auch der sogenannte Hochbau bleiben stehen. Wie auch andere Gebäude auf dem Gelände sind sie denkmalgeschützt. Langer sagt, dass sich die Architektur der Altbauten in der Architektur der Neubauten wiederfinden soll. Zum Beispiel bei der Größe der Fenster. Zum Beispiel bei der Form der Gebäude. Zum Beispiel bei den Baustoffen.
Langer setzt dabei auch auf einen Kontrast. Die Klinkerfassaden der historischen Gebäude kombiniert er mit Holzfassaden der künftigen Gebäude.
Auch bei den geplanten Sporthallen auf dem Campus kündigt er einen Mix aus Alt und Neu an. Nach seinen Worten soll die sogenannte Fliegerhalle zum einen umgebaut, zum anderen erweitert werden. Laut Langer ist es vorgesehen, die Sporthallen nicht nur für die Berufsschulen zu öffnen, sondern auch für Vereine. Und gegebenenfalls für den Betriebssport.
Rund um den Campus soll ein Handwerkerpark entstehen. Auf Langers Plan sind zwei Flächen für Betriebe vorgesehen. Manche Firmengrundstücke sind 1000, andere 3000 Quadratmeter groß. Die Wirtschaftsbehörde hat die Maße vorgegeben. Sie will, dass sich vor allem kleinteiliges Gewerbe niederlässt. Firmen und Schule sollen auf dem Campus eine Einheit bilden. Die Ressorts versprechen sich dadurch vor allem eines: kurze Wege. Einerseits für die Auszubildenden der Firmen, um zum Unterricht zu gelangen. Anderseits für die Unternehmen, um Fachkräfte zu finden. Beide Seiten, heißt es, sollen voneinander profitieren. Ob die Rechnung aufgeht, darüber kann Langer nur spekulieren. Wie auch darüber, ob sein Campus – Konzept eins zu eins umgesetzt wird. Der Projektleiter sagt, dass er einen Plan entworfen hat  und dass man Pläne ändern kann. Die Behörden gehen davon aus, dass die erste Schule im Sommer nächsten Jahres auf dem Campus starten wird und die letzte 2029. Wie viel er kosten wird, ist unklar. Bislang gibt es nur Schätzungen. Die meisten gehen von einem dreistelligen Millionenbetrag aus.

aus die Norddeutsche 08.01.2020 von christian weth