Mein Name ist Benedict Becker. Ich mache derzeit eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger an dem Schulzentrum Blumenthal. Im Rahmen dieser Ausbildung habe ich ein einmonatiges Praktikum in Helsinki, Finnland, absolviert.
Der Aufenthalt fand im Rahmen des Erasmus+-Programms statt. Ich habe dort in einer Tagesförderstätte für Menschen mit Behinderung gearbeitet und gleichzeitig die finnische Berufsschule Diakonia College of Helsinki kennengelernt.
In diesem Bericht beschreibe ich meine ersten Eindrücke, meine Aufgaben im Praktikum sowie persönliche Erfahrungen während meines Aufenthalts.
Nach einer anstrengenden, aber reibungslosen Anreise kam ich am ersten Tag in Helsinki an. Trotz einiger organisatorischer Schwierigkeiten, etwa beim Check-in und beim Erwerb eines Nahverkehrstickets, gelang es mir, mich in der neuen Umgebung zurechtzufinden und erste Eindrücke von der Gegend zu sammeln. Dabei fiel mir vorallem auf das Helsinki eine sehr grüne Stadt ist. Es gibt hier viele Parkanlagen und Alleen. Zusätzlich ist es spannend zu sehen, dass die Stadt auf steinigem Gelände errichtet worden ist, wodurch zwischendurch immer wieder eine Vielzahl an großen Felsen mitten in der Stadt verteilt, hervorragten.
Am nächsten Tag nutzte ich die Zeit, um die Innenstadt von Helsinki zu erkunden und mich mit dem öffentlichen Verkehrssystem vertraut zu machen. Besonders beeindruckt hat mich die moderne Stadtbibliothek Oodi. Außerdem machte ich erste Einkäufe und lernte Unterschiede zum deutschen Alltag kennen. Wie zu den Beispielen den unglaublich gut geplanten Verkehr, vor allem für Fußgänger. Fast überall gab es einen Zebrastreifen, der das Überqueren der Straße sehr viel sicherer machte und man nicht bangen musste umgefahren zu werden. Zudem waren viele Wege breiter hier als in Deutschland.
Bereits am dritten Tag besuchte ich das Diakonia College of Helsinki. Dort wurde ich freundlich empfangen und durch das Gebäude geführt. Ich erhielt einen Einblick in die Ausbildungsstrukturen im sozialen Bereich sowie in das finnische „Housing First“- Modell, das Menschen mit Suchterkrankungen zuerst eine Wohnung vermittelt, bevor weitere Maßnahmen erfolgen.
Der Start ins Praktikum erfolgte am vierten Tag. In der Tagesförderstätte Nyti wurde ich von meiner Mentorin eingewiesen, lernte das Team sowie erste Klientinnen und Klienten kennen und bekam einen Überblick über die Abläufe. Die ersten Eindrücke waren vielfältig und fordernd.
Im weiteren Verlauf der Woche konnte ich erste praktische Erfahrungen sammeln, etwa bei der Unterstützung einfacher pflegerischer Tätigkeiten wie dem Transfer. Zwar fühlte ich mich noch unsicher, doch meine Mentorin bestärkte mich darin, mich auf die neuen Aufgaben einzulassen. Am Ende der Woche arbeitete ich zeitweise auch ohne direkte Begleitung meiner Mentorin mit. Die Kommunikation mit anderen Mitarbeitenden war herausfordernd, da viele nur wenig Englisch sprachen. Trotzdem bemühte ich mich, mich in den Arbeitsalltag einzufinden, mein Finnisch zu verbessern und sensibel mit den Klientinnen umzugehen.
Insgesamt war die erste Woche körperlich wie emotional fordernd, durch die vielen neunen Aufgaben und Eindrücke. Zugleich aber ein wichtiger Einstieg, um mich mit dem neuen Umfeld und den Aufgaben vertraut zu machen.
In der zweiten Woche meines Praktikums übernahm ich zunehmend mehr Aufgaben in der Tagesförderstätte. Die Woche war auch herausfordernd, allerdings etwas kürzer, da die Einrichtung am Freitag aufgrund einer Fortbildung geschlossen war.
Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag im Bereich der pflegerischen Unterstützung. Besonders fordernd war das Zuführen von Nahrung bei Klient*innen mit umfassender körperlicher Einschränkung. Zudem half ich regelmäßig bei Transferleistungen, etwa beim Begleiten zu Toilettengängen.
Trotz der sprachlichen Barriere verlief die Kommunikation mit den Klient*innen erstaunlich gut. Eine der Klientinnen trug besonders zu meinem Spracherwerb bei. Sie hatte große Freude daran, mir immer wieder die finnische Begrüßung „Mitä kuuluu?“ („Wie geht’s dir?“) zu stellen. Ich antwortete in der Regel mit „Hyvä, kiitos“ („Gut, danke“), woraufhin sie freundlich mit „Kiitos“ erwiderte. Diese kleine Routine wiederholte sich oft mehrere Male hintereinander, was immer ein kleiner Spaß für uns beide war.
Grundlegende Finnisch Kenntnisse hatte ich mir bereits vor der Abreise mithilfe von Online-Lektionen angeeignet, aber viele Ausdrücke lernte ich erst vor Ort im direkten Kontakt. Ergänzend nutzte ich Gestik, Mimik und einfache Worte, um mich verständlich zu machen. Wenn ich Unterstützung benötigte, konnte ich mich an meine Mentorin oder an andere Fachkräfte wenden. Auch wenn viele Mitarbeitende nur wenig oder kein Englisch sprachen, funktionierte die Zusammenarbeit gut, da sie mit den Klient*innen vertraut waren und meist schnell erkannten, wobei ich Hilfe benötigte.
Die letzten beiden Wochen meines Praktikums standen im Zeichen meines Praxisprojekts, das ich eigenständig geplant und durchgeführt habe. Ausgangspunkt war das Interesse eines Klienten an Fußball – er ist großer Fan von Real Madrid und spielt trotz seiner Mobilitätseinschränkung regelmäßig im Rollstuhl. Da er in der Lage ist, sich mit den Beinen voran zubewegen und einen Ball zu treten, entstand die Idee, ein aktives Bewegungsangebot mit dem Schwerpunkt Fußball umzusetzen.
Ziel des Projekts war es, eine sportliche Aktivität im Freien zu ermöglichen, um sowohl dem Bewegungsdrang als auch dem Interesse des Klienten gerecht zu werden. Gleichzeitig bot sich dadurch die Gelegenheit, auch andere Klient*innen für Bewegung außerhalb des Gruppenraums zu motivieren. In enger Absprache mit meiner Mentorin bereitete ich das Projekt vor. Sie unterstützte mich insbesondere bei der Einschätzung der körperlichen und kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmenden, da ich deren Möglichkeiten noch nicht in allen Fällen genau einschätzen konnte. In der dritten Woche nutzte ich die Zeit zur Vorbereitung und Materialbeschaffung, bevor ich das Projekt in meiner letzten Woche durchführte.
Die Durchführung verlief sehr erfolgreich. Der genannte Klient hatte große Freude an der Bewegung und zeigte großes Engagement. Beim zweiten Projektdurchlauf nahmen auch weitere Klient*innen teil, was zeigte, dass grundsätzlich ein Interesse an sportlicher Betätigung vorhanden ist. Meine Mentorin äußerte den Wunsch, ein solches Angebot künftig häufiger in den Gruppenalltag zu integrieren – insbesondere im Hinblick auf die Sommermonate.
Rückblickend merkte ich, dass mir der Alltag zunehmend leichter fiel. Ich konnte strukturierter arbeiten und entwickelte ein besseres Gefühl für Abläufe, Bedürfnisse und Kommunikationsformen innerhalb der Gruppe. Diese Fortschritte führten auch zu einem wachsenden Selbstbewusstsein im Umgang mit neuen Aufgaben.
Der Abschied von der Einrichtung verlief eher kurz, da durch die sprachliche Barriere keine tieferen Kontakte zu den Kolleg*innen entstanden waren. Dennoch war es ein wertvolle Erfahrung, da ich viel gelernt hatte. Auch über meine eigenen Grenzen. Gegen Ende des Praktikums wurde mein Heimweh spürbarer, und ich merkte, wie anstrengend die Gesamtsituation auf Dauer war.
Die letzten freien Tage nutzte ich, um Helsinki besser kennenzulernen. Besonders in Erinnerung wird mir die Zentralbibliothek Oodi in der Nähe des Hauptbahnhofs bleiben. Das Konzept einer solchen Bibliothek hat mich sehr angesprochen und ich würde mir sowas auch für Bremen wünschen. Auch die Sauberkeit der Innenstadt und die architektonische Vielfalt fielen mir positiv auf.
Mein Rückflug verlief planmäßig und unspektakulär – umso größer war die Erleichterung, nach einem intensiven Monat wieder zu Hause anzukommen.