Mein Großvater, der selbst viel gereist ist, hat mir immer geraten, die Gelegenheit zu nutzen, ins Ausland zu gehen, da man dort die meisten Erfahrungen sammeln und am besten lernen kann. Deshalb habe ich, als wir während unserer Erzieherausbildung die Möglichkeit eines Auslandspraktikums in Dublin an der deutschen Schule St. Kilians bekamen, nicht lange gezögert und mich beworben. Neben dem Lernen für meine Ausbildung war es für mich eine große Chance, Selbstständiger zu werden, da ich hier in Deutschland noch bei meinen Eltern wohne und ich in Dublin für mich selbst sorgen müsste. Als ich für den Auslandaufenthalt angenommen wurde war meine Freude auf das bevorstehende Abenteuer riesig.
Zunächst hatte ich gehofft, eine passende Unterkunft über Airbnb oder sogar eine kleine Wohnung für meinen achtwöchigen Aufenthalt zu finden. Allerdings stellte sich heraus, dass die Mietpreise in Dublin ziemlich hoch waren. Daher entschied ich mich letztendlich dafür, ein Zimmer bei einer alleinlebenden irischen Frau zu mieten. Im Nachhinein war es eine gute Entscheidung, bei ihr zu wohnen, denn sie arbeitete bei einem Unternehmen, das unter anderem Reisen und Aktivitäten für Touristen organisierte, und konnte mir daher alle möglichen Fragen zu Dublin beantworten. Sie empfahl mir sogar gelegentlich Ausflugsziele und hatte für einige Aktivitäten Gutscheine, mit denen ich kostenlosen Eintritt erhalten konnte – äußerst praktisch. Darunter war zum Beispiel ein Gutschein für das Schloss Kilkenny, das auf dem Foto zu sehen ist.
Da ich zuhause nicht für mich selbst kochen musste, war es das erste Mal, dass ich jeden Tag selbst gekocht habe, und darauf habe ich mich im Vorhinein sehr gefreut. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, so gesund, nachhaltig und vegan wie möglich zu essen. Jeden Abend in der Küche zu experimentieren hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich Kochen zu einem neuen Hobby von mir entwickelt hat. Zugegebenermaßen sind einige Gerichte nicht besonders lecker geworden, aber ich bin stolz darauf, dass ich mir nicht ein einziges Mal Fast Food geholt habe, obwohl ein Burger King quasi um die Ecke von meinem Zuhause war.
Vor meinem Ersten Tag im Kindergarten war ich sehr aufgeregt, schließlich hatte ich keine Ahnung was mich erwarten würde. Doch von der ersten Minute an wurde ich herzlich von der Erzieherin Maike, von den Kindern „Teacher“ genannt, in das Team aufgenommen. Sie erklärte mir die Besonderheiten der irischen Kindergartenpädagogik an St Kilians. Zusammenfassen lässt sich das Pädagogische System in St Kilians als „Vielseitige Förderung“. Die Kinder haben einen Stundenplan, denn sie bekommen Unterricht in Englisch und Mathe und verbringen auch viel Zeit mit einer Montessori Lehrerin, mit der sie gemeinsam Forschen. Zwischendrin gibt es immer wieder Freispielphasen weitere Förderangebote von Maike. Es gibt außerdem Nachmittagsangebote wie Tennis oder Musik. Und die größte Besonderheit der Schule ist, dass im Kindergarten möglichst viel Deutsch gesprochen wird, damit die Kinder zweisprachig mit Englisch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache aufwachsen.
Meine Gruppe, bestehend aus 26 Kindern, war einfach großartig. Obwohl es auch mal Streit gab, war ich überzeugt, dass meine Gruppe die beste an der ganzen Schule war, und ich habe die Kleinen sehr lieb gewonnen. Die Kinder waren nicht nur offen und neugierig, sondern auch sehr talentiert im Malen und Basteln. Sie fragten ständig nach neuen Malideen und Bastelvorlagen. An meinem letzten Tag im Kindergarten bekam ich von ihnen zum Abschied selbstgebastelte Hündchen und mit viel mühe gemalte Bilder von den Kindern, die auf diese super liebe Idee selbst gekommen waren.
Da ich zum ersten mal alleine Gereist bin hatte ich am Anfang die Sorge, dass ich mich sehr Einsam fühlen würde. Doch um neue Leute kennenzulernen, habe ich zuerst einen Ballettkurs sowie einen Chor besucht. Leider waren die meisten anderen, die ich dort kennengelernt habe, ein gutes Stück älter als ich, weswegen sich mit ihnen kein engere Kontakt ergeben hat, aber es war dennoch eine lohnenswerte Erfahrung. Später habe ich über Bumble, eine App ähnlich wie eine Dating-App, jedoch zum Finden von Freunden, einige großartige Mädels kennengelernt. Tatsächlich waren die meisten keine einheimischen Iren, sondern kamen von überall aus der Welt. Besonders gut habe ich mich mit einem Mädchen aus China verstanden, die seit einigen Jahren in Dublin lebt. Zusammen haben wir die Straßenkünstler in der Innenstadt bewundert, Ausflüge an die Küste unternommen und die gemütlichen Cafés der Stadt erkundet. Es hat sich für mich also sehr gelohnt mich zu überwinden und mich immer wieder mit neuen Leuten zu treffen, doch ich habe auch gelernt, dass ich auch alleine eine gute Zeit haben kann.
Während meines Fluges von Hamburg nach Dublin lernte ich eine Frau kennen, die vor einigen Jahren nach Dublin gezogen war. Sie erzählte mir, dass die Iren im Vergleich zu den Deutschen viel lockerer und entspannter seien. Und tatsächlich; die Iren waren einfach viel offener als ich es von Deutschen kannte.
Ein Beispiel dafür war der Maler, der das Wohnzimmer meiner Unterkunft gestrichen hat. Obwohl wir uns nicht kannten konnte ich mich mit ihm jeden Nachmittag, wenn ich von der Schule nach Hause kam, ewig unterhalten. Und auch wenn der Bus mal Verspätung hatte, was leider ziemlich häufig vorkam, war man sofort im Gespräch mit den anderen an der Haltestelle. Solche Situationen, in denen man spontan mit Fremden ins Gespräch kommt, haben sich für mich in den acht Wochen in Dublin so oft ergeben, wie es in Deutschland in zwei Jahren der Fall wäre.
Die Iren sind außerdem auch sehr Hilfsbereit. An einem Abend war ich spät in der Stadt unterwegs und wollte nach Hause, als der Bus ausfiel. Ein älterer Herr, der ebenfalls an der Haltestelle stand, bemerkte, dass ich etwas verloren wirkte, und bot mir seine Hilfe an. Zugegebenermaßen sprach er mit einem starken irischen Akzent, den ich kaum verstehen konnte.
Doch er gab sich große Mühe, mir mit viel Gestikulation den besten Weg nach Hause zu erklären, und es gelang ihm schließlich, mich in den richtigen Bus zu lotsen.
Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie offen und herzlich die Menschen in Irland sind und ich habe die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Iren sehr zu schätzen gelernt.
Mein Fazit ist: Opa hatte recht – ich habe in Dublin wirklich viel gelernt. Ich konnte viele Ideen aus meiner Arbeit in St Kilians mitnehmen, habe eine Richtige Leidenschaft fürs Kochen Entwickelt und habe vor allen Dingen viele große und kleine Menschen in mein Herz geschlossen. Mit meiner Freundin aus China halte ich noch immer Kontakt, und meine Freunde hier in Deutschland sagen, ich sei Selbstsicherer und Erwachsender wiedergekehrt. Aus diesem Grund möchte ich den Ratschlag meines Großvaters weitergeben: Reist umher, lernt andere Kulturen kennen und sammelt so viele Erfahrungen wie möglich.
Lena Cordes, Fachschule für Sozialpädagogik